Natürlich habe ich ausgerechnet für morgen, dem ultimativen Streiktag, geplant, meinen Bartbaren heimzusuchen.. Timing war ja nie meine Stärke..
Ich muss mich wirklich beherrschen, dass mir diese ganze Streikangelegenheit nicht tierisch auf den Senkel geht..
Ein wenig Diskussion per Facebook bei ver.di (okay, Diskussion kann mans nicht nennen, wenn auf den eigenen Kommentar keine Rückmeldung mehr kommt ^^) und bei ESWE (wow, selten solche Verbohrtheit erlebt) musste aber sein.. Gerne genannte Kommentare waren, dass man ja von einem Tag ohne ÖPNV nicht stirbt oder eben auf das Fahrrad umsteigen muss und es ja morgen sonnig wird.. Nun, ich habe morgen 5 km Weg quer durch die Stadt vor mir und kein Fahrrad..
Dadurch, dass ich als Studentin gewohnt bin und mich darauf verlasse, dass der Nachverkehr funktioniert (und den auch ein Student, entgegen der ab und an auftauchenden öffentlichen Meinung auch nicht kostenlos nutzt), habe ich nicht mal in meiner Unistadt Marburg ein Fahrrad, geschweige denn wenn ich morgen nach Wiesbaden muss und 5 km Strecke vor mir habe.. Natürlich kann man das mit dem Taxi zurücklegen und natürlich auch zu Fuß..
Aber wenn man dann doch etwas ungehalten darüber ist, dass sich anscheinend keiner um Fahrgäste schert, denen das nur in geringem Maße möglich ist (ob nun aus Geld- oder auch Gesundheitsgründen), dann ist das doch auch gerechtfertigt, oder nicht?
Ich finde es gut, dass wir in diesem Land die Möglichkeit eines Streikes haben, um die offensichtlichen Nachteile in verschiedenen Berufsgruppen öffentlich wirksam anzuprangern und den entsprechenden Verantwortlichen Druck zu machen.. Und ich finde es auch richtig, wenn auch der Kunde merkt, was er eigentlich Tag für Tag mit mehr negativer Kritik als Lob zu Nutzen gewohnt ist..
Aber dennoch sollte ein gewisses Maß an sozialem Verhalten vorhanden sein, Menschen (die ich jetzt bewusst nicht als Kunden oder Fahrgäste betitle) nicht hilflos stehen zu lassen, sondern zu gewährleisten, dass eine gewisse Grundversorgung an Nahverkehr aufrecht erhalten wird.. Und wenn dann nur alle 2 Stunden ein Bus fährt.. In meinem Heimatdorf fährt nur alle Stunde einer und hier ist noch keiner dran gestorben (am Wochenende ist es sogar noch seltener - nicht schön, aber man lernt damit zu leben).. Ja, man kann sich auch auf den Totalausfall (wenn man von den Regionallinien absieht) einstellen, aber das bedeutet dennoch für einige (nicht zu vernachlässigende oder zu diskriminierende) Menschengruppen ein erhebliches Problem, das sich eben nicht einfach mal so mit dem Umstieg aufs Fahrrad erledigt hat.. Diskriminierung beziehe ich jetzt beispielsweise auf alte Menschen, Menschen mit körperlicher Benachteiligung, etc.. Eben diejenigen, denen eine spontane, eintägige Umstellung nicht unbedingt möglich ist..
Warum wird so etwas so gerne vergessen? Man bittet um Verständnis bei den Fahrgästen, aber es gibt Personen, die damit wirklich große Schwierigkeiten bekommen.. Wer öfter in Wiesbaden Bus fährt, kommt gar nicht um Menschen im Rollstuhl herum, die auf die Beförderung mit dem Nahverkehr angewisen sind.. Das sollten doch allen voran die Busfahrer wissen, die sich hin und wieder auch nach hinten bewegen müssen, um die entsprechenden Klappen umzulegen, um diese Fahrgäste in ihr Fahrzeug zu lassen..
Aber nein, wenn man Kritik übt wird man von am Hungertuch nagenden Busfahrern mit flapsigen, bisweilen aggressiven oder schlicht und einfach sinnlosen Kommentaren als dumm, faul oder ignorant dargestellt..
Tut mir leid, irgendwo ist dann mein Verständnis auch am schwinden, so sehr ich die Beweggründe des Streiks auch nachvollziehen kann..
Mal davon abgesehen ist Wiesbaden, soweit ich das als Zugereiste und Hin-und-Wieder-Wiesbadener beurteilen kann, keine Autostadt sondern ein Großteil der städtischen Bewohner verlässt sich mittlerweile fast komplett auf den ÖPNV, aus ökologischen, organisatorischen oder auch finanziellen Gründen.. Daher ist auch nicht gegeben, dass heute jeder Schüler von den Eltern per Auto zum Abitur gebracht werden kann, oder aber auch ganz regulär zur Schule.. Ich hatte Arbeitsstellen, da wäre mir die Zeit, die ich zu spät komme, direkt vom Lohn abgezogen worden ohne Möglichkeit, nachzuarbeiten, oder gar ein mahnendes Wort, dass das nicht wieder vorkommen solle, Streik hin oder her.. Und dass heute jeder spontan frei bekommt ist auch kein Ding der Realität..
Man muss allerdings auch sagen: Solange wir akzeptieren und tolerieren, dass sich Personen die Taschen vollstopfen, einfach weil sie es können, ohne daran zu denken, dass sie eine gewisse Verantwortung in ihrem jeweiligen Unternehmen (ob das nun der Staat sei oder eine Firma) für ihre Angestellten (respektive Bürger) haben, wird sich an der miserablen Lohnsituation mancherorten nicht viel ändern.. Ich würde eigentlich auch gerne streiken, denn ich bekomme in meinem Vollzeitjob sogar etwas mehr als 2 Euro weniger die Stunde als ein Wiesbadener Busfahrer in seinem ersten Jahr.. Aber zum einen habe ich (Gott sei Dank) keine Familie zu ernähren, zum anderen ist das momentan für mich die höchste Bezahlung, die ich je für einen Job bekommen habe.. Eine Zeitarbeitsfirma bezahlte (nicht nur mir als Studentin, sondern allen ihren Angestellten - übrigens in einem H&M- Lager) knapp über 7 Euro die Stunde.. Das Wunder des 400-Euro- Jobs -.-
Aber ein Streik studentischer Aushilfen, bzw. Praktikanten und arbeitenden Schüler wäre auch mal keine schlechte Idee.. Besonders was die Ausbeutung der Praktikanten an manchen Stellen angeht (va. in Bundeseinrichtungen kriegt man keinen Cent) ist sowas eigentlich mal wirklich angebracht..
Naja, nächste Woche dann ^^
P.S.: Ich bin ja immernoch ein wenig der Meinung, dass das heute ein von Taxiunternehmen gesponsorter Streik ist *g* Die haben sicherlich nichts dagegen, etwas mehr zu tun zu haben und einzunehmen ;)