Unsere Meinung, daß wir das andere kennen, ist das Ende der Liebe, jedesmal, aber Ursache und Wirkung liegen vielleicht anders, als wir anzunehmen versucht sind - nicht weil wir das andere kennen, geht unsere Liebe zu Ende, sondern umgekehrt: weil unsere Liebe zu Ende geht, weil ihre Kraft sich erschöpft hat, darum ist der Mensch fertig für uns.
Er muß es sein. Wir können nicht mehr!
Wir kündigen ihm die Bereitschaft, auf weitere Verwandlungen einzugehen.
Wir verweigern ihm den Anspruch alles Lebendigen, das unfaßbar bleibt, und zugleich sind wir verwundert und enttäuscht, daß unser Verhältnis nicht mehr lebendig sei. "Du bist nicht", sagt der Enttäuschte oder die Enttäuschte, "wofür ich dich gehalten habe."
Und wofür hat man sich denn gehalten?
Für ein Geheimnis, das der Mensch ja immerhin ist, ein erregendes Rätsel, das auszuhalten wir müde geworden sind. Man macht sich ein Bildnis. Das ist das Lieblose, der Verrat.
[..]
Max Frisch: Tagebuch 1946-1949
Ich habe neulich gelesen, dass Frauen erstaunlich häufig dazu neigen, einen Mann kennenzulernen, ihn als ihren Traummann zu bezeichnen und alles daransetzen, ihn auch zu bekommen. Sobald sie ihn allerdings haben, fangen sie fast augenblicklich an ihn verändern zu wollen. Sie quetschen ihn in ein selbst aufgestelltes Schema, schmirgeln ihn ab, schnitzen ihn zurecht, sagen ihm was er darf und was nicht, was er soll tun und wie er es tun soll - was auch immer - bis sie ihn völlig glattgeschliffen und angepasst haben an .. nun an was eigentlich? An ihr Ideal? Ihren Traum von dem perfekten Mann, der er war? Letztlich merken sie dann, genau an diesem Punkt, dass er seltsamerweise nichtmehr viel mit ihrem Traummann gemeinsam hat und verlieren das Interesse. Und sind wir mal ehrlich, läuft es nicht so? Man macht sich wohl wirklich ein Bildnis, nur denke ich, dass man dies zu Anfang tut - besser: man registriert das Bildnis eines Menschen, der er ist und das uns gefällt - verändern ihn über die Zeit, bis er ncihtmehr der ist der er war - unser Bildnis bleibt bestehn aber das Verhalten der Person, des Menschen den wir geliebt haben, ändert sich und das neuerliche Bild passt nichtmehr zu dem, das wir haben - ich glaube, das gerade das der Verrat ist - an den uns geliebten Menschen und an uns selbst..
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